Chancen und Risiken einer Beratung
im Spannungsfeld zwischen Heilkunde, Lebenshilfe und Design
Von Anette Oberhauser, Rechtsanwältin
Obwohl Feng-Shui-Berater in der Regel sehr genau die energetische Wirkungsweise
Ihres Angebotsspektrums beschreiben können und deren Kunden durch die
Auswirkungen einer Raumgestaltung buchstäblich neu positioniert werden,
schwindet diese Klarheit um so schneller, je mehr man sich auf rechtliches
Terrain begibt. Energetische Wirkungen passen nicht so ohne weiters in
ein hermeneutisches Gedankengebäude, hier dasjenige der Jurisprudenz.
Feng-Shui entzieht sich damit zunächst einer "Verrechtlichung", obwohl
die juristische Fachterminologie vielfältige Metaphern aus der Raumgestaltung
entlehnt. Dennoch ist es sinnvoll, Feng-Shui nicht im rechtsfreien, und
damit beliebig verhandelbaren "Raum" zu belassen, um Berater und Kunden
in ihren berechtigten Interessen zu schützen, beispielsweise bei Honorarforderungen,
Fragen nach Qualitätsstandards und Ausbildung. Der vorliegende Beitrag
geht daher der Frage nach, was - rechtlich gesehen - Inhalt der Dienstleistung
Feng-Shui ist, ob die Zulassungserfordernisse zu beachten sind, wie sie
etwa für Heilpraktiker bestehen und für welche Lebensbereiche eine Feng-Shui-Beratung
durchgeführt werden kann.
I. Ein Blick in den Gerichtssaal
Seit jeher tun sich Gerichte in ihrer Spruchpraxis schwer, energetische
Dienstleistung angemessen mit juristischen Instrumenten (das sind Vertragsauslegung,
Begriffsdefinitionen und Typisierungen von Vertragsinhalten) angemessen
zu erfassen. vielmehr wird in ständiger Rechtsprechung jeder Rat als Heilkundeausübung
betrachtet, der nach dem subjektiven Eindruck des Kunden geeignet ist,
einen Leidensdruck zu beseitigen und seine Lebensqualität zu verbessern.
Folge ist dann, daß zur legalen Berufsausübung eine Heilpraktikerzulassung
erforderlich ist. Obwohl diese sog. Eindruckstheorie oft kritisiert wurde,
hält sie sich hartnäckig. Ein Feng-Shui-Berater gerät damit leicht in
die Grauzone der Heilkundeausübung hinein, sobald er sich eingehend mit
den Auswirkungen geomantischer Phänomene auf die Gesundheit seiner Kunden
beschäftigt und auf deren konkrete Fragen im Einzelfall im Beratungsgespräch
eingeht. Dieses Dilemma, wirkt sich um so mehr aus, da die heutige Rechtslage
eine exakte praktikable Abgrenzung zwischen erlaubnispflichtiger Heilkunde
und erlaubnisfreier Beratung nicht anbietet und sich vielmehr auf den
vereinbarten Inhalt der Dienstleistung zurückzieht (was genau hat der
Kunde als Beratungswunsch angegeben?)
Allgemeine Beratung ist damit jede Tätigkeit, die sich im Rahmen des erlernten
Berufes hält und dort Gegenstand der Ausbildung ist. Beratung bezieht
weiterhin sich auf psychisch und physisch gesunde Menschen. Als Abgrenzungskriterium
zwischen Lebenshilfe und Therapie dient somit die Eingriffsintensität.
(Hat die Beratung schwerwiegende oder gar gefährliche Folgen?)
Die Abgrenzung der "Lebenshilfe" (die ja auch im Feng-Shui durchaus erwünscht
ist) von "Heilkunde" folgt daher insbesondere den Kriterien:
- Seriosität und Qualifikation der Anbieter in ihrem Auftreten als Persönlichkeitstrainer
- Bewältigung spezifischer persönlicher Probleme (statt allgemeiner
Standardberatung)
- Dringlichkeit einer Krisenintervention
- Intensität der Intervention
Werden alle vier Punkte mit ja beantwortet, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit
Heilkundeausübung vor, wenn nicht im Einzelfall andere Umstände dagegen
sprechen.
Die Anbieter von Feng-Shui stehen damit in rechtlicher Überlappung mit
pädagogischen Weiterbildungsangeboten, z.B. im Bereich Rhetorik, Streßbewältigung,
Kommunikation. Dies ist zwar inhaltlich - je nach Beratungsprofil und
Beratungsstil inhaltlich nicht immer ganz zutreffend, wirkt aber dem unbefriedigenden
Zustand entgegen, daß Beratungsformen mit dem Ziel der Persönlichkeitsentwicklung
(also auch Feng-Shui) als Heilkunde eingeordnet werden.
II. Der "richtige" Vertrag
Vereinzelt wird daher versucht, eine Vertragsgestaltung zu finden, die
die Leistung einer Feng-Shui Beratung nicht als Ausüben der Heilkunde
qualifiziert. Die Ansätze hierzu sind vielfältig: In diesem Zusammenhang
wird bspw. versucht, die geschuldete Leistung so zu umschreiben, daß sie
im Ergebnis keine Heilkunde darstellt. Auf den ersten Blick erscheint
damit eine Umgehung der unerwünschten Folgen der Eindruckstheorie angestrebt.
Nicht zuletzt besteht ein Widerspruch darin, daß man nicht gleichzeitig
etwas als harmlos oder nichtheilkundlich bezeichnen und andererseits Wirkungen
auf körperliche und seelische Gesundheit postulieren kann.
In der Praxis haben Verträge über Feng-Shui Beratungen teilweise den
Charakter von Dienstleistungsverträgen mit therapeutischem Inhalt, ohne
ausdrücklich auf Krankheiten abzuzielen.- soweit sie sich nicht schwerpunktmäßig
als Designverträge mit werkvertraglichen Komponenten darstellen. Grundsätzlich
bietet sich also im Gesamtbild auch die Möglichkeit, einen Vertrag anzunehmen,
der in seinen Inhalten therapeutischen Maßnahmen nur angenähert ist, was
allerdings nur durch Auslegung/Interpretation eines Vertragswerks präzise
ermittelt werden kann.
Als solcher Werkvertrag ist im Zusammenhang mit Feng-Shui neben dem Entwurf
von Einrichtungsgegenständen das Erstellen und Deuten von Horoskopen (auch
unter gesundheitlichen Aspekten) einzuordnen.
Schließlich ist es üblich, die Eigenverantwortung des Kunden im Vertrag
zu betonen, etwa in Form von Selbstheilungskräften, geistig-seelischer
Weiterentwicklung oder eigenständiger Streßbewältigung. Verträge über
energetische Dienstleistungen sind daher nicht immer Behandlungsverträge,
sondern enthalten ein beratendes Element, das in Qualität und Umfang über
Information und Wissensvermittlung hinausgeht. Beratende Elemente sind
integrierter Bestandteil des Vorgehens; sie sind selbständiges Angebots-Repertoire.
- damit nicht Heilkunde sondern Beratung.
Für Methoden, deren Konzept im pädagogisch-didaktischen Bereich anzusiedeln
ist und die schwerpunktmäßig auf eine allgemeine Anleitung zur besseren
Lebensführung abstellen, führt dies auf Anbieterseite zu größeren Freiheiten,
welche Leistung in das Angebot aufgenommen werden darf.
III. Risiken und wie man sie vermeidet: Spielräume einer Feng-Shui-Beratung
Als Zwischenergebnis darf eine Feng-Shui-Beratung damit ein breites Spektrum
menschlichen Daseins begleiten, soweit die folgenden "Risiken" vermieden
werden:
- Risiko der Heilkundeausübung: Nach alledem muß ein Feng-Shui-Berater
im Rahmen seiner vertraglich mit dem Kunden vereinbarten Beratungspflicht
alles tun, um den Eindruck des Kunden zu erschüttern, es werde ihm
auch hinsichtlich seiner Krankheiten und Leiden geholfen.
So wäre z.B. der reine Verkauf von Einrichtungsgegenständen, auch wenn
von diesen positive Wirkungen ausgehen, kein Ausüben der Heilkunde.
Des weiteren sollte ein Berater seine Kunden eindringlich darauf hinweisen,
daß Inhalt seiner Leistung ausschließlich auf eine Verbesserung der
Raum- und Wohnqualität abstellt, nicht aber eine Behandlung spezifischer
Gesundheitsprobleme. Macht ein Berater Ausführungen zur Gesundheit des
Kunden, sollten Sie sich auf allgemeine Erfahrungsgrundsätze beschränken,
nicht auf die individuelle Situation des Kunden. (Stichwort: Den Raum
heilen nicht den Menschen) Selbstverständlich kann ein Feng-Shui-Berater
dennoch Beratungsleistungen aus dem Kontext Selbsterfahrung und Problembewältigung
anbieten und die psychosoziale Situation des Kunden Berücksichtigen
(Coaching). Er muß dies dabei aber auf das Lösen sozialer Konflikte
und die Bewertung gruppendynamischer Prozesse beschränken, um nicht
aus Versehen als "Heiler" wahrgenommen zu werden. (Stichwort: Gesunde
Menschen durch schwierige Lebens- und Veränderungssituationen begleiten,
nicht Kranke behandeln) Noch besser wäre es allerdings, die Doppelqualifikation
als Heilpraktiker zu besitzen: diese eröffnet große Beratungsspielräume
im Feng-Shui, da ein Heilpraktiker grundsätzlich Therapiefreiheit genießt
und daher auch auf die individuelle Befindlichkeit/ die Gesundheit seines
Kunden differenziert eingehen kann.
- Risiko Falschauskunft: In Weiterentwicklung des Erdstrahlenfalles
des LG Braunschweig (NJW-RR 86, 1410) ist folgendes Szenario denkbar:
Ein Klient glaubt dem Feng-Shui-Berater die Behauptung, sein Grundstück
werde von schädlichen Wasseradern und Erdstrahlen beeinflußt, was aber
- wie sich im nachhinein herausstellt - nicht der Fall ist. Der Klient
zieht im Glauben an diese Aussagen in ein Hotel und veräußert das Grundstück
zu einem für ihn ungünstigen Preis. Hier wurde der Anbieter mit dem
Argument vom Kunden mit einem Rechtsstreit überzogen, er habe mit räumlichen
Bezug (Haus und Wohnung), nicht mit Bezug auf eine konkrete gesundheitliche
Störung gehandelt. - damit zwar nicht die Heilkunde ausgeübt, aber das
Eigentum des Kunden beschädigt. Ein weiterer Aspekt, den der Kunde als
Eigentumsverletzung ins Feld führte, ist die sogenannte Nutzungsstörung.
Weitgehend anerkannt ist, daß auch die Nutzungsstörung eine Eigentumsverletzung
sein kann. Hier könnte der Anbieter durch seine Auskunft dem Klienten
die Nutzung seines Grundstücks entzogen haben (Wohnen im Hotel). Eine
Substanzverletzung der Sache ist hierfür nicht erforderlich. Dennoch
muß die Einwirkung auf das Eigentum so beschaffen sein, daß ein wirtschaftlich
meßbarer Schaden entsteht. Er muß von hinreichender Intensität und mit
direktem Bezug zu der Sache sein, deren Nutzung gestört wird. Indirekte
Einwirkungen, die nicht von Vertragspartnern beeinflußt werden können,
sind damit keine Nutzungsstörung. Hier ist das Grundwasser, dessen Verlauf
die energetischen Störungen verursacht, dem Herrschaftsbereich des Grundstückseigentümers
entzogen. Damit ist eine Störung durch schädliche Wasseradern und Erdstrahlen
nicht auf das Grundstückseigentum bezogen. Ein Berater, der Maßnahmen
der Geomantie anwendet, macht sich damit nicht schadensersatzpflichtig.
Dennoch wurde in dem beschriebenen Fall dem Kunden ein kleiner Beitrag
als Ausgleich zugesprochen, da das Gericht zwar nicht eine Eigentumsstörung,
doch immerhin eine Vertragsverletzung erblickte: die Parteien waren
nämlich übereinstimmend als Grundlage für ihre Vereinbarung von der
Wirkungsweise geomantischer Phänomene ausgegangen. Nur im Hinblick auf
deren Wirklungen war überhaupt eine Beratung in Anspruch genommen worden.
Eine Falschauskunft verletzt daher zwischen Kunde und Anbieter den gefundenen
Konsens. Obwohl sich diese Entscheidung auf Wünschelrutengänger bezog,
steht zu erwarten, daß Gerichte die hier entwickelten Grundsätze auch
auf Feng-Shui anwenden werden, da es zumindest geomantische Elemente
enthält, soweit es sich dem in Feng-Shui nicht vorgebildeten Laien (also
im Zweifel auch einem Richter) auf den ersten Blick darstellt: In der
Beratungspraxis sollte man also dem Kunden im Falle von Störfeldern
adaequate Gegenmaßnahmen anbieten, anstatt ihn aus seinem Umfeld zu
entfernen.
IV. Ergebnis
Rechtlich stellt sich Feng-Shui als Beratungs-Dienstleistung dar, die
keine Heilpraktikerzulassung erfordert, wenn bei der Vertragsgestaltung
und Kundeninformation die oben skizzierten Punkte beachtet werden. Ein
Feng-Shui-Berater hat auch recht große Spielräume die individuelle Lebenssituation
seines Kunden zu berücksichtigen, wenn es ihm gelingt dies im Rahmen von
Coaching oder durch den speziellen Entwurf von Einrichtungssgegenständen
indirekt einfließen zu lassen. Er sollte jedoch Bezugnahmen auf bestimmte
Krankheitsbilder meiden.
Über die Autorin: Anette Oberhauser, Jg. 1969, Rechtsanwältin, ist besonders
mit der Rechtslage der (naturheilkundlichen) Heilberufe und ganzheitlich
tätigen Dienstleister vertraut. Sie ist in Nürnberg in eigener Kanzlei
als Rechtsanwältin und Mediatorin tätig,arbeitet aber auch bundesweit.
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